Fotografie zur blauen Stunde: Eine Schritt-für-Schritt Anleitung - Teil 4: Die Nachbearbeitung

In diesem vierten Teil des Tutorials zur Langzeitfotografie zur blauen Stunde geht es um die digitale Nachbearbeitung der Bilder, deren Entstehung ich im im dritten Teil erklärt habe. Als Motivation möchte ich euch zu Beginn sowohl das Ausgangsmaterial als auch das finale Bild zeigen, damit ihr seht, was man insgesamt in der digitalen Nachbearbeitung erreichen kann.

Das unbearbeitete Original (Copyright Martin Schmidt)
Das unbearbeitete Original (Copyright Martin Schmidt)
Das fertig bearbeitete Bild (Copyright Martin Schmidt)
Das fertig bearbeitete Bild (Copyright Martin Schmidt)

Im Folgenden werde ich euch zeigen, wie man aus dem linken unbearbeiteten Original das rechte, wesentlich besser aussehende Foto erzeugt. Die meisten Arbeitsschritte finden dabei in Adobe Lightroom (Version 3) und in Adobe Photoshop Elements 9 statt. Die einzige andere Software, die ich noch benutzt habe, ist NIK Dfine 2 zum Entrauschen des Bildes.

 

Grundsätzlich ist die Bearbeitung in Lightroom sehr viel einfacher als die in Photoshop. Dementsprechend geht sie auch sehr viel schneller. Das ist auch der Grund, weshalb ich versuche, möglichst viel bereits in Lightroom zu erledigen und nur die Schritte in Photoshop durchzuführen, die mit Lightroom nicht möglich sind.

 

Los geht's: Vor der Bearbeitung gucke ich mir zunächst das Bild an und analysiere, was mir an dem Bild gefällt und was ich nicht gut finde. Dabei ist es wichtig, dass ich eine konkrete Vorstellung davon habe, wie das Endprodukt aussehen soll. Eine Analyse für das unbearbeitete Original lautet für meine persönliche Sicht wie folgt:

 

1. Das Bild ist insgesamt zu dunkel, insbesondere der vordere Teil des Wassers. Im fertigen Foto sollte das Blau im Himmel ungefähr dieselbe Helligkeit haben wie das Blau im Wasser.

2. Das Interessante in dem Bild ist das Kraftwerk mit seiner Spiegelung im Wasser. Links und rechts vom Kraftwerk gibt es für meinen Geschmack nichts, was dem Bild zusätzliche Wirkung gibt.

3. Das unbearbeitete Original hat mir deutlich zu wenig Schärfe und deutlich zu wenig Klarheit.

4. Vor Ort war das Grün der Bäume am gegenüberliegenden Ufer sehr viel deutlicher. Dieses Grün hat einen schönen Farbkontrast zu dem Blau des Himmels und des Wassers und dem Grau/Weiß des Kraftwerks erzeugt.

5. Das Original rauscht relativ stark und ich sehe einige Sensorflecken (einige Tage nach der Aufnahme habe ich daher auch eine Sensorreinigung duchgeführt).

6. Trotz aller Mühe vor Ort ist das Bild nicht exakt ausgerichtet.

 

Mit dieser Analyse kann es jetzt also losgehen. Im Folgenden werde ich links immer das Bild nach dem aktuellen Bearbeitungsschritt zeigen, den ich rechts vom Bild erkläre.

Quadratischer Schnitt (Copyright Martin Schmidt)

Zuerst verändere ich den Schnitt. Links und rechts vom Kraftwerk ist nichts, was dem Bild zusätzliche Qualität gibt. Daher habe ich mich hier für einen quadratischen Schnitt entschieden, der zusätzlich die vertikale Symmetrie zwischen dem Kraftwerk und seiner Spiegelung unterstützt. Außerdem habe ich das Bild in Lightroom leicht im Uhrzeigersinn gedreht, um es exakt auszurichten.

Belichtungsänderung (Copyright Martin Schmidt)

Bisher ist mir das Bild noch viel zu dunkel gewesen. Mit einem Blick auf das Histogramm hebe ich jetzt zuerst die Höhen an, in dem ich in Lightroom den Belichtungswert auf +0,50 korrigiere. Dadurch wird das Bild vor allem in den helleren Bereichen nochmal heller und das Blau wirkt vor allem im Himmel um einiges kräftiger.

Aufhelllicht (Copyright Martin Schmidt)

Jetzt ist mir das Bild vor allem in den dunkleren Bereichen (das gegenüberliegende Ufer und das Wasser ganz vorne) noch viel zu dunkel. Dies korrigiere ich, indem ich den Aufhellwert auf 20 vergrößere. Damit kommt das Blau im Wasser schon wesentlich besser zur Geltung und wir sehen jetzt zum ersten Mal das Grün der Bäume und Sträucher auf der gegenüberliegenden Uferseite.

Kontrast und Objektivkorrektur (Copyright Martin Schmidt)

Als nächstes passe ich den Kontrast an. Spätestens vor diesem Schritt wende ich auch immer die automatische Objektivkorrektur in Lightroom an. Den Kontrast habe ich dann auf +50 vergrößert. Das Blau wirkt jetzt nochmal kräftiger und auch die Lichter kommen jetzt wesentlich besser zur Geltung.

 

Oftmals korrigiere ich den Kontrast des Bildes auch mit der in Lightroom zugänglichen Gradationskurve. Hier bin ich mit dem Kontrast aber schon zufrieden und nehme bei den Kurven keine weitere Veränderung vor.

Klarheit (Copyright Martin Schmidt)

Hand in Hand mit der Korrektur des Kontrasts geht immer die Korrektur der Klarheit. Gesteigerte Klarheit erzeugt eine ähnliche Wirkung wie ein stärkerer Kontrast und lässt das Bild zusätzlich schärfer aussehen. Hier habe ich den Klarheitswert auf +20 gestellt.

 

Mit den Grundeinstellungen bin ich jetzt schon zufrieden. Allerdings gefallen mir die Farben noch nicht so gut.

HSL (Copyright Martin Schmidt)

Die Farben passt man in Lightroom am Besten über den HSL-Dialog an. Dort kann man sowohl die Sättigung der einzelnen Farben als auch ihre Luminanz korrigieren, was ich hier auch beides getan habe. Wichtig sind mir in diesem Bild die Farben Blau (Himmel und Wasser), Grün (Sträucher auf der gegenüberliegenden Uferseite) und Orange (Lichter am und beim Kraftwerk). Daher verstärke ich die Sättigung genau dieser Farben: Orange +10, Grün +17, Blau +10. Für Grün und Aquamarin habe ich zusätzlich den Luminanzwert auf +13 erhöht. Dadurch wirkt das Blau noch etwas heller und das Grün der Sträucher kommt noch besser zur Geltung.

Schärfen (Copyright Martin Schmidt))

Nachdem ich jetzt mit den Grundeinstellungen und den Farben fertig bin, kümmere ich mich jetzt um die Schärfe des Fotos. Die lässt meiner Meinung nach nämlich noch zu wünschen übrig. In Lightroom erhöhe ich daher im Schärfen-Dialog (unter Details) den Betrag auf 65 und maskiere die Schärfung mit dem Wert 55. Ein wichtiger Tipp für das Spielen mit den Schärfe-Reglern: Drückt beim Verschieben der Regler die Alt-Taste. So könnt ihr wesentlich besser den erzielten Effekt betrachten.

 
Verlaufsfilter (Copyright Martin Schmidt)

Beim Analysieren der jetzigen Version des Fotos fällt mir von der Grundstimmung her nur noch auf, dass der Himmel sehr viel heller ist als das Wasser. Symmetrisch komponierte Bilder mit Spiegelungen sollten aber auch bezüglich der Helligkeit möglichst symmetrisch sein, um eine gute Balance zu erreichen. Die erwünschte Korrektur erreiche ich in Lightroom mithilfe der Verlaufsfilter. Zuerst zeichne ich einen Verlaufsfilter von oben nach unten ein, dessen Mitte genau am Ufer der gegenüberliegenden Seite ist und dunkle den Himmel durch Verringerung des Helligkeitswertes des Verlaufsfilters leicht ab. Genau das Gegenteil mache ich dann mit dem entgegengesetzten Verlauf von unten nach oben, mit dem ich das Wasser leicht aufhelle. Hierbei spiele ich solange mit den Reglern, bis Himmel und Wasser ungefähr die gleiche Helligkeit haben.

Jetzt bin ich mit der Bearbeitung des Fotos in Adobe Lightroom fertig. Schon jetzt ist das Foto um Einiges besser geworden und schlägt das unbearbeitete Original um Längen. Gucken wir uns die jetzige Version aber noch einmal genauer an:

Fast fertige Version (Copyright Martin Schmidt)
Fast fertige Version (Copyright Martin Schmidt)

Mir fallen insbesondere die folgenden Dinge auf:

 

1. Das Rauschen im Foto ist mir noch deutlich zu stark.

2. Das Foto hat noch nicht genug Schärfe.

3. Ich sehe noch kleine und große Bildstörungen wie hot pixels und Sensorflecken.

4. Der Kontrast kann doch noch leicht angehoben werden. Das Bild wirkt mir immer noch ein wenig zu flau.

5. Eine leichte Vignettierung kann dem Bild zuträglich sein. Das werde ich ganz am Schluss noch ausprobieren.

 

Den ersten Punkt erledige ich mithile von NIK Dfine 2. Diese Software ist ausschließlich zur Entfernung von Rauschen da und funktioniert deutlich besser als die Rauschreduzierung in Lightroom. Hier habe ich das Bild in NIK Dfine 2 geladen und ausschließlich die automatische Rauschreduktion durchgeführt.

 

Für die restlichen Punkte öffne ich das Foto jetzt in Adobe Photoshop Elements 9. Auf einer neuen Ebene, die ich einfach durch Kopieren der Hintergrundebene erzeuge, entferne ich zuerst alle restlichen Artefakte wie den hässlichen Sensorfleck und die hot pixels. Diese Arbeit ist zwar leicht beschrieben, dauert in der Praxis aber doch häufig am Längsten. Zum Entfernen nutzt man am Besten den Kopierstempel oder den Bereichsreperatur-Pinsel. Die Tonwertkorrektur nutze ich dann noch, um den Kontrast nochmals leicht anzuheben.

 

Die Vignettierung nehme ich dann zuletzt doch noch in Lightroom im Effekte-Dialog vor. Hier habe ich den Betrag auf -15 nach unten korrigiert um eine ganz leichte dunkle Vignettierung zu erhalten.

 

Hier seht ihr das finale Ergebnis. Guckt euch auch nochmal die unbearbeitete Version ganz am Anfang des Artikels an. Viel Zauberei war nicht dabei und aus meiner Sicht hat sich die Arbeit definitiv gelohnt. Wichtig ist, dass man gerade in Adobe Lightroom mit der Zeit herausfindet, welcher Regler welchen Effekt hat. Erst dann kann man wirklich effektiv arbeiten und die digitale Nachbearbeitung nutzen, um die eigene kreative Vision zu realisieren!

Kraftwerk Stöcken; Fertige Version (Copyright Martin Schmidt)
Kraftwerk Stöcken; Fertige Version (Copyright Martin Schmidt)

Ich hoffe, ich konnte wieder Einigen von euch auch mit diesem Teil des Tutorials weiterhelfen. Falls ihr die von mir beschriebenen Techniken anwendet, wäre ich interessiert daran, eure Ergebnisse zu sehen. Vielleicht könnt ihr die Links zu euren Fotos einfach hier im Blog posten.

 

Und wie immer gilt natürlich: Wenn ihr Feedback habt, Nachfragen, Verbesserungsvorschläge oder andere Meinungen - ich freue mich über jeden Kommentar hier im Blog.

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Kommentare: 2
  • #1

    Henn Ing (Donnerstag, 29 August 2013 17:10)

    So was hätte ich mir mal gewünscht zu meinen Anfängen.
    Aber auch jetzt ist es interessant und vor allem lehrreich
    Bitte weiter so ;)

  • #2

    Martin Schmidt (Donnerstag, 29 August 2013 22:18)

    Hi Henn Ing,

    danke für den Kommentar. Du kannst es ja empfehlen, wenn dich in Zukunft ein "Anfänger" fragt, wie man sowas macht.

    Viele Grüße,
    Martin