Fotografie zur blauen Stunde: Eine Schritt-für-Schritt Anleitung - Teil 3: Die Aufnahme

In den beiden ersten Teilen (Die Vorbereitung und Das Zubehör) dieses Tutorials ging es um die Vorbereitung einer Aufnahme zur blauen Stunde und um das Zubehör, das man für gelungene Fotos zur Abend- oder Morgendämmerung benötigt. In diesem Teil soll es jetzt endlich um die Aufnahme an sich, also die Arbeit vor Ort gehen.

 

Im ersten Teil habe ich bereits beschrieben, dass ich schon vor dem Besuch der Location versuche, mir ein möglichst gutes Bild von den Gegebenheiten zu machen und mir im Internet bei flickr oder 500px auch schon entsprechende Fotos des Motivs von anderen Fotografen ansehe. Trotzdem versuche ich immer eine halbe bis ganze Stunde vor dem eigentlichen Aufnahmezeitpunkt vor Ort zu sein, um ausreichend Zeit zu haben, um mich mit dem Motiv, möglichen Perspektiven und Brennweiten zu beschäftigen. Schließlich will man nicht einfach bereits bestehende Fotos nachfotografieren, sondern tatsächlich kreativ tätig sein. Wichtig ist hierbei, dass man sich wirklich genug Zeit nimmt. Wenn die Zeit knapp war, habe ich mich meistens hinterher geärgert, dass ich nicht noch etwas eher vor Ort war und mir deshalb die eine oder andere bessere Perspektive entgangen ist.

 

Sobald ich dann meinen Standpunkt und damit meine Perspektive der Wahl gefunden habe, geht es daran, das Stativ aufzubauen. Hierbei gibt es ein paar wichtige Regeln, die manchen von euch vielleicht noch nicht geläufig sind. Die erste Regel ist: Baue das Stativ nie höher auf, als es für die gewünschte Perspektive wirklich nötig ist. Bei langen Belichtungszeiten hängt die Qualität der Aufnahme maßgeblich von der Stabilität der Kameraposition ab. Je höher aber das Stativ aufgebaut ist, desto mehr verliert die Kamera an Stabilität. Die zweite Regel ist: Falls ihr einen Kameragurt an der Kamera habt, versucht ihn möglichst gut am Stativ zu verknoten. Sobald der Gurt im Wind weht, wirkt sich dies direkt negativ auf die Stabilität der Kamera aus und die Aufnahme verliert sofort an Klarheit und Schärfe! Dasselbe gilt übrigens auch für euren Fernauslöser, sofern ihr keinen Funkfernauslöser habt.

 

Anschließend geht es an die Festlegung des Bildausschnitts. Diesen lege ich meisten im Live View meiner Kamera fest. Hier habe ich mehr Ruhe bei der Bildkomposition, als wenn ich immer wieder durch den Sucher gucken muss. Allerdings sollte man sich hierbei nicht übermäßig viel Zeit lassen, da die Nutzung des Live View Modus die Sensorwärme steigert und diese Wärme grundsätzlich zu stärkerem Rauschen führt. Hektik ist aber auch nicht angesagt: eine halbe Minute mehr oder weniger macht hier mit Sicherheit nicht den Unterschied aus. Zu den grundlegenden Regeln der Bildkomposition will ich mich hier nicht auslassen - eine kurze Recherche im Internet sollte euch hierfür eine ganze Menge brauchbarer Ergebnisse bringen. Eine Sache will ich euch aber trotzdem noch als Tipp mit auf den Weg geben, die mir oft im Nachhinein hilft. Typischer hat man, gerade bei der Architekturfotografie mit stürzenden Linien aufgrund einer nicht exakt gerade ausgerichteten Kamera zu tun. Diese stürzenden Linien sind in vielen Situationen zunächst nicht zu vermeiden. Sie lassen sich aber (fast) immer in der digitalen Nachbearbeitung in Adobe Lightroom oder Adobe Photoshop (Elements) korrigieren. Hierbei gehen aber immer gewisse, am Rand liegende Bildbereiche verloren. Daher wähle ich den Bildausschnitt bei der Aufnahme immer etwas größer, als ich ihn eigentlich im fertigen Foto haben will, da ich somit noch genug Spielraum bei der Ausrichtung und Entzerrung in der Nachbearbeitung habe.

 

Nach der Festlegung der Bildkomposition und des exakten Ausschnitts ist als Nächstes die Fokussierung, das heißt die Scharfstellung, an der Reihe. Da zu dem jetzigen Zeitpunkt noch genügend natürliches Licht vorhanden sein sollte, kann man jetzt in der Regel noch ohne weiteres den Autofokus der Kamera nutzen. Wenn mit der Zeit aber das natürliche Licht schwächer wird, kann es sein, dass der Autofokus keine Scharfstellung mehr hinbekommt. Daher sollte man die Scharfstellung direkt nach der Festlegung der Bildkomposition durchführen und von dann an in den manuellen Fokus wechseln. Dadurch versucht die Kamera nicht mehr, bei jeder Aufnahme scharf zu stellen und der Fokus bleibt die ganze Zeit der Aufnahme derselbe.

 

Zu unterschiedlichen Aspekten, die die Bildschärfe aufgrund von Kamerainstabilität beeinträchtigen können, habe ich jetzt schon mehrmals etwas gesagt. Hier kommen jetzt noch ein zwei (Geheim)tipps: Zum Einen die Spiegelvorauslösung und zum Anderen der Bildstabilisator. Bei längeren Belichtungszeiten solltet ihr auf jeden Fall die Spiegelvorauslösung aktivieren. So wird vermieden, dass durch das Aufschlagen des Spiegels schon vor der Belichtung die durch das Aufschlagen hervorgerufenen Vibrationen die Bildqualität schmälern. Und man sollte noch, falls das Objektiv mit dem man fotografiert darüber verfügt, den automatischen Bildstabilisator ausstellen. Das mag sich zunächst widersprüchlich anhören - ist es aber nicht. Der Mechanismus der Bildstabilisatoren sorgt dafür, dass bei handgehaltener Kamera leichte Vibrationen ausgeglichen werden. Ist die Kamera aber auf einem Stativ, so gibt es keine Vibrationen und der Bildstabilisierungsmechanismus ruft eben diese hervor. Sobald die Kamera also auf dem Stativ ist: Bildstabilisator ausstellen.

 

Bevor es jetzt an die Belichtungseinstellungen geht, will ich noch ein Wort zum Weißabgleich verlieren: Grundsätzlich fotografiere ich bei der Nachtfotografie immer mit dem automatischen Weißabgleich der Kamera. Gerade, wenn man im RAW-Modus fotografiert (dazu komme ich weiter unten noch), kann man den Weißabgleich auch hinterher in der digitalen Nachbearbeitung verlustfrei modifzieren. Es kann aber manchmal zu sehr interessanten Ergebnissen kommen, wenn man von diesem Standardverfahren abweicht - probiert es einfach selbst einmal aus. Das Foto von der Skyline von Hannover ist beispielsweise nicht mit automatischen Weißabgleich entstanden und eine sehr interessante Farbwirkung.

Skyline von Hannover (Copyright Martin Schmidt)
Skyline von Hannover (Copyright Martin Schmidt)

Soweit so gut - aber die drei wichtigsten Kameraeinstellungen fehlen noch, denn dies sind diejenigen, die die eigentliche Belichtung steuern:

1. Die Blende,

2. der ISO-Wert und

3. die Verschlusszeit.

Als Erstes lege ich immer die Blende fest. Bei Aufnahmen zur blauen Stunde, insbesondere bei Landschafts- oder Architekturaufnahmen, will man möglichst eine große Schärfentiefe erreichen, damit die ganze Landschaft oder das gesamte Gebäude scharf abgebildet wird. Dies erreicht man durch eine stark geschlossene Blende, das heißt, durch eine große Blendenzahl. Je nach Objektiv, Motiv, gewünschten kreativem Effekt und den Lichtverhältnissen kann die Blende natürlich variieren. Ein guter Ausgangspunkt ist aber mit Sicherheit ein Wert zwischen f11 und f16.

Ein weiterer wichtiger Aspekt bezüglich der Blende bei der Nachtfotografie ist ihr Einfluss auf die Abbildung von Lichtquellen, die sich direkt im Bild befinden (z.B. Straßenlaternen). Geschlossene Blenden sorgen hier immer für die Ausbildung sogenannter Lichtsterne, die bei vielen (auch bei mir) sehr beliebt sind.

Hannover: Lichtsterne am Leineschloss (Copyright Martin Schmidt)
Hannover: Lichtsterne am Leineschloss (Copyright Martin Schmidt)

Die zweite Einstellung, die ich festlege, ist der ISO-Wert. Grundsätzlich erhöht ein hoher ISO-Wert die Lichtsensibilität des Kamerasensors. Bei schlechten Lichtverhältnissen (und die haben wir bei der Fotografie zur blauen Stunde eigentlich) kann man durch die Erhöhung des ISO-Wertes also eine Verkürzung der Belichtungszeit erreichen, ohne die Blende weiter öffnen zu müssen. Allerdings verstärkt diese Steigerung der Sensorsensibilität aber auch das Rauschen im Foto - die Bildqualität sinkt also. Außerdem haben wir eh unser Stativ dabei und eine längere Belichtungszeit stört uns in dieser Situation nicht. Daher gibt es bei der Nachtfotografie eine einfache Regel: Stellt den ISO-Wert immer auf den niedrigsten Wert (meistens wird das ISO 100 oder 200 sein) - vorausgesetzt, ihr habt euer Stativ dabei.

 

Als dritte Einstellungsmöglichkeit bleibt jetzt noch die Belichtungszeit. Nach Festlegung von ISO-Wert (in der Regel so niedrig wie möglich) und der Blende stelle ich die Verschlusszeit immer so ein, dass ich ein gut belichtetes Foto erhalte. Aber was ist ein gut belichtetes Foto? Vor Ort gucke ich mir in der Regel gar nicht das Foto selbst auf dem Kameradisplay, sondern nur sein Histogramm an. Wer sich mit dem Histogramm noch nicht gut auskennt, sollte sich hier schnell zum Experten machen - ein erster Anlaufpunkt könnte der Artikel Das Histogramm verstehen auf kwerfeldein sein. In wenigen Worten: Wichtig ist, dass einem weder die Tiefen im Bild "absaufen" und man keine Bildinformationen in den Höhen des Bildes verliert. Wer sich noch etwas intensiver mit der Histogramm-Thematik beschäftigen möchte, der sollte sich auch mit der Expose-to-the-right-Technik vertraut machen: Hier findet ihr einen guten Einstieg in das Thema bei der Digital Photography School. In der Praxis gehe ich immer so vor, dass ich im manuellen Modus die Belichtungsmessung der Kamera nutze und die Verschlusszeit so einstelle, dass die Belichtungsmessung bei +/-0 steht. Mit der dazu gehörigen Verschlusszeit mache ich dann ein Testfoto, analysiere das Histogramm und modifiziere die Verschlusszeit, bis ich die für mich perfekte Belichtungszeit gefunden habe.

 

Es ist also bei der Nachtfotografie bzw. der Fotografie zur blauen Stunde definitiv notwendig, alle drei Parameter (Blende, ISO-Wert und Verschlusszeit) einstellen zu können und auch das Zusammenspiel dieser Parameter verstanden zu haben. Insbesondere sind diese Einstellungen bei allen Kameras nur im manuellen Modus möglich. Wer es also noch nicht getan hat, sollte sich spätestens jetzt mit dem manuellen Modus anfreunden. Sicher ist: Früher oder später werdet ihr dafür mit besseren Bildern belohnt!

Zu guter Letzt noch ein Tipp, der für den nächsten Teil dieses Tutorials (digitale Nachbearbeitung) von enormer Bedeutung ist: Bitte fotografiert immer im RAW-Modus. Gerade die Nachtfotografie stellt hohe Ansprüche an das Abbildungsvermögen heutiger Digitalkameras. Um zuhause am Rechner das Beste aus den Aufnahmen herausholen zu können, führt kein Weg am RAW-Modus vorbei.

 

In der nächsten Woche wird es dann den nächsten Teil zur digitalen Nachbearbeitung mit Adobe Lightroom und Photoshop (Elements) geben. Bis dahin hoffe ich, dass euch dieser Teil wieder etwas geholfen hat, bessere Fotos zur blauen Stunde zu schießen. Falls ihr gute Erfahrungen mit dem hier gewonnenen Wissen machen könnt, würde ich mich freuen, wenn ihr es mich wissen lasst - sei es bei facebook, bei google+, oder direkt hier im Blog durch einen Kommentar. Oder habe ich ein wichtiges Detail vergessen? Dann meldet euch erst Recht und lasst es mich wissen!

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